Die Europäische Union sieht in ihrer Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) eine Minimierung von Klimagasen vor. Dafür sollen neben den gängigen Biokraftstoffen der ersten Generation (1G) nun auch innovative Biokraftstoffe der zweiten Generation (2G) eingesetzt werden, um die klimapolitischen Ziele zu erreichen. Eine Studie von Forschern des Institutes für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH) zeigt nun, dass der Einsatz der neuen Kraftstoffe potenziell sogar zu erhöhten Klimagas-Emissionen führen kann.
Heute marktgängige 1G Biokraftstoffe werden aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen erzeugt, wie beispielsweise Getreide, Soja, Raps oder Palmfrüchte. Alternativen dazu sind sogenannte 2G Biokraftstoffe, die aus Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen (Stroh, Restholz, Altholz, kommunale Bioabfälle) stammen können. Für derartige 2G-Kraftstoffe wurden in Forschung und Entwicklung in den vergangenen Jahrzenten signifikante öffentliche Mittel eingesetzt, um zu einer verbesserten Reduktion anthropogener Klimagas-Emissionen im Verkehrssektor. Verhindert werden sollte hierbei auch die Diskussion um eine mögliche Nutzungskonkurrenz, der „Teller oder Tank“-Entscheidung.
Die Forscher Benedikt Buchspies und Martin Kaltschmitt vom Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) sind nun der Frage nachgegangen, ob eine Ersetzung von 1G durch 2G Biokraftstoffen aus Klimasicht sinnvoll ist. Dazu ist ein Übergang von der heutigen Biokraftstofferzeugung auf die angestrebte zukünftige Erzeugungsstruktur detailliert im Rahmen einer umfassenden konsequenziellen Ökobilanz analysiert und quantifiziert worden. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen nun aber, dass der Ersatz von 1G Biokraftstoffen durch solche der zweiten Generation (2G) zu potenziell erhöhten Klimagas-Emissionen führen kann.
„Dieses überraschende Ergebnis wird erst deutlich, wenn mögliche Markteffekte umfassend berücksichtigt werden“, sagt Benedikt Buchspies, der diese Ökobilanz federführend erarbeitet hat. „Heutige Biokraftstofferzeugungsanlagen sind eingebunden in den Futtermittelmarkt; neben Kraftstoffen stellen derartige Anlagen auch Proteinfuttermittel her. Werden nun aber Kraftstoffe der zweiten Generation erzeugt und durch diese 1G Kraftstoffe ersetzt, muss die Futtermittelnachfrage aus anderen Quellen gedeckt werden“, so Buchspies weiter. Sollte das dann zusätzlich benötigte Tierfutter beim Einsatz der neuen 2G-Biokraftstoffe aus Südamerika eingeführt werden; würden im Vergleich zu heute mehr Klimagase freigesetzt werden.
Um belastbare Aussagen über Klimavor- und nachtteile alternativer Kraftstoffe zu treffen, darf sich laut entsprechend dieser Ergebnisse eine Untersuchung der Klimaeffekte von Biokraftstoffen nicht nur auf den eigentlichen Biokraftstoff und die vorgelagerten Prozesse beziehen. Sie muss auch die damit verbundenen direkten und indirekten Substitutionseffekte berücksichtigen.
Da das durch die Ersetzung von 1G- durch 2G-Biokraftstoffe entstehende Futtermitteldefizit durch Zukauf aus Drittländern gedeckt werden muss, kann die Einführung zukünftiger Biokraftstoffe insgesamt zu höheren Emissionen führen. „Vor dem Hintergrund dieser spannenden Ergebnisse ist die Politik gut beraten, vor der Implementierung entsprechender administrativer Lenkungsmaßnahmen ganzheitlich und umfassend untersuchen zu lassen, ob die angedachten Instrumente überhaupt geeignet sind, das jeweils angestrebte Ziel zu erreichen“, sagt Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE). „Die jetzigen Maßnahmen greifen hier zu kurz.“
Die Studie: „A consequential assessment of changes in greenhouse gas emissions due to the introduction of wheat straw ethanol in the context of European legislation.“ DOI: 10.1016/j.apenergy.2017.10.105
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