[TU Berlin] – Neues Forschungsprojekt eHaul untersucht die Elektrifizierung des Güterfernverkehrs auf der Straße
Der Straßen-Güterfernverkehr trägt erheblich zu dem immer noch wachsenden CO2-Austoß im Verkehrssektor bei. „Wenn es gelänge, hier bereits wenige Fahrzeuge zu elektrifizieren, hätte das durch die hohen Fahrleistungen einzelner Fahrzeuge bereits eine große absolute Wirkung“, weiß Prof. Dr. Stefanie Marker, Leiterin des Fachgebiets Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung an der TU Berlin. Die Wissenschaftlerin konnte jetzt gemeinsam mit anderen Forschungsinstitutionen, aber auch Partner*innen aus den Bereichen Logistik, Systemtechnik, Software, Automobiltechnik und Energie, das Projekt eHaul mit einem Volumen von rund 6,5 Millionen Euro akquirieren. Finanziert wird die Forschung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie aus Eigenmitteln der Partner*innen. Ziel ist die Realisierung einer automatisierten Batteriewechselstation für schwere E-LKW ↙.
Energetische Optimierung von elektrischen Fahrzeugen ist das Schwerpunktthema der Forschung von Stefanie Marker. Mit dem neuen Projekt nimmt sie sich dabei die richtig schweren LKW vor: Sattelzüge mit bis zu 40 Tonnen Gesamtgewicht. „Leider gibt es in dem Bereich noch nicht sehr viele elektrische Fahrzeuge im Einsatz, da diese in der Regel nur auf direkte Nachfrage angefertigt werden. Trotzdem ist es besonders sinnvoll, gerade auch in diesem Fahrzeugsegment die Möglichkeiten der Elektrifizierung der Flotte zu testen“, so Marker.
Das Problem: Die meisten dieser großen LKW werden auf Distanzen eingesetzt, die nicht mit einer Batterieladung zu bewältigen sind. „Aber die Speditionen haben auch keine Zeit, stundenlang auf das Aufladen einer Batterie zu warten“, weiß die Wissenschaftlerin und hat auch gleich eine potenzielle Lösung zur Hand: Ein Netzwerk aus Batterieladestationen, die die LKW anfahren können. Dort wird eine geladene Batterie eingesetzt und weiter geht es. Eine auf den ersten Blick bestechend simple Lösung. „In der Realität fehlt aber vor allem eine Machbarkeitsstudie“, ergänzt Jens-Olav Jerratsch, Teamleiter am Fachgebiet von Stefanie Marker und Projektleiter des Verbundvorhabens.
Ziel ist der vollautomatisierte Batteriewechsel
Im Rahmen des neuen Projekts eHaul, das über drei Jahre bis Ende September 2023 läuft, gibt das Konsortium jetzt zwei elektrifizierte LKW in Auftrag, die anschließend von zwei Logistikunternehmen im Regelbetrieb genutzt werden. Zusätzlich wird eine Batteriewechselstation im Süden Berlins aufgebaut, die über ein Jahr lang von den Spediteur*innen im Rahmen eines realen Lieferbetriebs angefahren werden kann. Ziel ist ein vollautomatisierter Batteriewechsel. Nach der Ankunft in der Station wird die entleerte Batterie von einem eigens entwickelten Wechselroboter*innen aus dem Fahrzeug entnommen und gegen eine vollgeladene Batterie getauscht. Dies geschieht in wenigen Minuten, zeitraubende Ladepausen entfallen.
„Die beiden Fahrzeuge werden mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die im Rahmen des regulären Betriebes Daten aufnehmen, die den Energieverbrauch der Fahrzeuge beeinflussen: Energieverbrauch des Antriebs, die Beladung, das Wetter, das Höhenprofil der Route, den Nebenverbrauch wie Klimatisierung der Fahrer*innenkabine, aber auch die Energie, die verbraucht wird, um Laderaumtemperaturen sicher zu stellen“, so Stefanie Marker. „Im Praxistest wollen wir dann ermitteln, ob große Wechselbatterie-E-LKW mit bis zu 40 Tonnen tatsächlich eine sinnvolle Alternative auch im Bereich von Tagestouren über 300 Kilometer sind.“
Ein Netzwerk an Batterieladestationen
Im PKW-Bereich setzt sich aktuell zunehmend der batterieelektrische Antriebsstrang durch. Im LKW-Bereich ist dies noch nicht im gleichen Maße der Fall. Viele LKW fahren jeden Tag mehrere Hundert Kilometer, daher braucht es eine Lösung, die diesen Einsatz ermöglicht. Dabei stehen batterieelektrische Ansätze zum Beispiel in Konkurrenz zur Wasserstofftechnologie. „Da man die Batterie nicht endlos vergrößern kann, ohne gleichzeitig andere Verbrauchsfaktoren negativ zu beeinflussen, schauen wir uns die Option des Batteriewechsels an. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Schnellladefunktion, wie sie auch von PKW genutzt wird. Für LKW würde das aber zum einen eine sehr hohe Ladeleistung bedeuten – also eigentlich ein Kraftwerk neben der Ladestation – wenn man bedenkt, dass im Regelbetrieb mehrere LKW gleichzeitig geladen werden müssten“, erläutert Jens-Olav Jerratsch. Zum anderen wirkt sich das Schnellladen negativ auf die Lebensdauer der Batterien aus.
„Der Aufbau eines Netzwerks an Batterieladestationen könnte eine sinnvolle Alternative sein. Aber auch dieser Ansatz birgt natürlich Herausforderungen: So werden wir uns damit beschäftigen, wie die Batterien am LKW zu befestigen und kontaktieren sind, damit sie schnell und unkompliziert gewechselt werden können“, so Jens-Olav Jerratsch. Langfristig stellt eine Standardisierung der Wechselbatterien eine weitere Herausforderung dar, damit der modulare Austausch auch in größerem Maßstab wirtschaftlich umgesetzt werden kann. Das ist allerdings bei LKW aufgrund der eingeschränkten Modellvielfalt ein geringeres Problem als beim PKW.
„Im Rahmen des Projektes eHaul interessieren uns neben den technischen und den Energieverbrauchsdaten aber auch die Wirtschaftlichkeit: Wie muss ein System gestaltet werden, damit es wirtschaftlich ist und eine echte Alternative für die Logistikbranche“, summiert Stefanie Marker.