[UDE] – Verstopfte Straßen, freie Wasserwege: Im überlasteten Verkehrsnetz könnten Binnenschiffe eine Alternative sein. Doch oft fehlt qualifiziertes Personal auf der Brücke – dort müsste es bald aber nicht mehr stehen. Im neuen Verbundprojekt entwickeln drei Lehrstühle der Universität Duisburg-Essen (UDE) Systeme zur Fernsteuerung der Binnenschiffe – ein Meilenstein auf dem Weg zum automatisierten Fahren.
Eine Fernsteuerung von Frachtschiffen bis hin zum Automatisierten Fahren ist nicht nur innovativ, sondern auch deutlich attraktiver für die Schiffsführenden. Sie stehen nicht mehr direkt an Bord, sondern an einem Fernsteuerstand an Land – und hätten so einen festen Arbeitsplatz in Wohnortnähe. Unterstützt durch Assistenzsysteme, wie z. B. Bahnregler und Kollisionswarnsystem, ließe sich sogar mehr als ein Schiff gleichzeitig steuern. Der Vorteil: Für die Reeder sinken die Kosten und die Effizienz des Schiffes steigt. „Damit kann die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit in der Binnenschifffahrt substanziell verbessert werden“, sagt Professor Bettar el Moctar, Experte für Schiffs- und Offshoretechnik und DST-Direktor.
Das alles wird ab sofort in Duisburg erforscht. Dafür wird gerade am DST das Versuchs- und Leitungszentrum Autonome Binnenschiffe „VeLABi“ fertiggestellt. Hier werden die drei beteiligten UDE- Lehrstühle einen Steuerstand konzipieren, der Schnittstellen zu einem realen Testschiff hat, das den Forschenden von einer Reederei zwischen den Einsätzen auf den Binnenwasserstraßen zur Verfügung gestellt wird. „Damit die einzelnen Komponenten gefahrlos entwickelt und ausprobiert werden und später auch die Schiffsführer unfallfrei trainieren können, wird es einen digitalen Zwilling dieses Testschiffes geben“, erklärt Mechatronik-Professor Dieter Schramm.
Auch für Wasserstraßen gilt: Die Assistenzsysteme müssen das Fahrverhalten aller Verkehrsteilnehmer präzise vorhersagen und berechnen, ob sich diese in ausreichendem Abstand zueinander sowie zu festen Bauwerken bewegen. Hierfür entwickeln die UDE-Wissenschaftler mathematische Modelle und statistische Verfahren.
Ein weiterer Schwerpunkt im Vorhaben: die maximal verlässliche Mensch-Maschine-Interaktion. „Eine ferngesteuerte Schiffsführung muss eine permanente Kontrolle haben. Alle Handlungsabläufe in normalen wie in Notfallsituationen müssen maschinell unterstützt werden. Das werden wir am virtuellen wie am realen Schiff umsetzen“, sagt Prof. Dirk Söffker, Steuerungs- und Regelungsexperte.
In zweieinhalb Jahren soll es zu einem echten Testlauf auf dem Wasser kommen mit geschulten Schiffsführern. Die Felderprobung findet in einem Testfeld am Ende des Dortmund-Ems-Kanals zwischen dem Hafen Dortmund und der Schleuse Waltrop statt. Das Testfeld wird hierfür mit der entsprechenden Mobilfunkabdeckung ausgestattet.
Koordiniert wird „FernBin“ vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. (DST). Von den 6 Millionen Euro Fördermitteln, die vom Bundeswirtschaftsministerium fließen, gehen 2,89 Millionen Euro ans DST und die UDE. An dem Projekt sind die RWTH Aachen, die Bundesanstalt für Wasserbau, Unternehmen aus Stuttgart sowie assoziierte Partner aus der Binnenschifffahrt beteiligt.