[Fraunhofer IAO] – Lastenräder können einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten, besonders in der innerstädtischen Logistik. Um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können, hat das IAT der Universität Stuttgart eine Tourenplanungssoftware für die Lastenradlogistik konzeptioniert und umgesetzt. Die speziell an die Bedürfnisse der Lastenradlogistik angepasste Softwarelösung ist in enger Kooperation mit dem Fraunhofer IAO und weiteren Projektpartnern entstanden.
Lieferverkehre tragen zu einem nicht unwesentlichen Anteil zu innerstädtischen Verkehrsproblemen und damit verbundenen Emissionen von Luftschadstoffen bei. Die Zustellung per Lastenrad bildet eine Alternative, die sich zunehmend etabliert und deren Einsatz bei zahlreichen Logistikunternehmen bereits gängige Praxis ist. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn bestehende logistische Prozesse an die Spezifika des Lastenrads angepasst werden. Bei der Planung von Lastenradtouren muss etwa mit verringerten Transportkapazitäten, einer veränderten Streckenführung oder verminderten Reichweiten gerechnet werden.
Das Lastenrad bringt gegenüber der konventionellen Zustellung auch operative Vorteile mit sich, was sich nicht zuletzt in der hinzugewonnenen Flexibilität durch die Nutzung von Radfahrinfrastrukturen zeigt. Innerhalb des Verbundprojekts SmartRadL wurde daher eine speziell an die Bedürfnisse der Lastenradlogistik angepasste Tourenplanungssoftware entwickelt. Während der Projektlaufzeit von 33 Monaten gelang es dem Projektkonsortium aus Forschung und Industrie, Wünsche und Anregungen von Lastenradlogistikerinnen und -logistikern sowie deren Fahrerinnen und Fahrern einzuholen, Daten aufzunehmen und in ein lastenradspezifisches Planungstool zu überführen.
Das Vorhaben wurde vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart – das eng mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO kooperiert – organisatorisch und inhaltlich koordiniert sowie auch wissenschaftlich begleitet.
Die Spezifika von Lastenrädern berücksichtigen
Innerhalb des Projekts wurden zunächst Anregungen und Wünsche für die Ausgestaltung der lastenradspezifischen Tourenplanungssoftware eingeholt. Dies geschah über leitfadengestützte Interviews in Form von Fragebögen, welche mit Disponentinnen und Disponenten sowie Fahrenden an den Depotstandorten des Projektpartners veloCARRIER GmbH durchgeführt wurden.
Auf Basis der ermittelten Anforderungen wurden im Zuge mehrerer Workshops zentrale, bedeutsame Funktionen für eine solche Software herausgestellt. In diesem Zusammenhang zeigte sich etwa, dass Aspekte wie die Navigation als weniger relevant für die Tourenplanung angesehen werden. Begründen lässt sich dies durch den verhältnismäßig geringen Operationsradius in der Lastenradlogistik (ca. 3 km um das Depot) und damit verbundenen Einschränkungen an Routenoptionen.
Im Gegensatz zur konventionellen Zustellung werden fahrzeugspezifische Eigenschaften wie die Reichweite in Verbindung mit Akkukapazität oder die maximale Transportkapazität an Volumen bzw. Gewicht als deutlich planungsrelevanter wahrgenommen. Diese Erkenntnisse wurden schließlich zusammengefasst und in die Ausgestaltung der Tourenplanungssoftware übertragen.
Im Rahmen eines mehrmonatigen Testbetriebs konnten Vorzüge und Schwachstellen der Softwarelösung identifiziert und in die Optimierung des Testprodukts überführt werden. Indem Ressourcen und Aufträge (z. B. verschiedene Fahrzeugtypen) parametrisiert werden können, ist ein Einsatz im sogenannten Mischbetrieb möglich.
Dies bedeutet, dass eine Disposition mit einer heterogenen Fahrzeugflotte (Lastenräder und Kraftfahrzeuge) grundsätzlich möglich ist. Das Einsatzgebiet der Software ist also nicht auf Lastenräder und die reine Lastenradlogistik beschränkt und kann somit auf breiter Front die digitale Transformation unterstützen.
Da Lastenräder denselben Bestimmungen zur Nutzung von Verkehrsflächen unterliegen wie Fahrräder, können die Vorteile gegenüber Automobilverkehren gerade im Innenstadtbereich gut ausgespielt werden, was sich wiederum in deren Effizienz widerspiegelt. Dies umfasst die erhöhte Flexibilität beim Abstellen oder die Möglichkeit zum Befahren vieler Einbahnstraßen entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung.
Ebenso können Lastenradverkehre von roten Ampeln oder Stauungen betroffen sein. Ebenso reicht das bloße Vorhandensein von Radinfrastrukturen nicht aus, um diese mit einem Lastenrad (sicher und komfortabel) befahren zu können. Daher bestand ein weiteres zentrales Projektziel darin, die Verfügbarkeit von Informationen zur Radinfrastruktur zu erhöhen. Hierzu wurden im Zuge des Projekts Methoden zur automatisierten Klassifikation von Straßenzuständen durch den Einsatz von Smartphone-Erhebungssensorik entwickelt und angewandt.
„Erhobene und ausgewertete Daten können etwa dazu verwendet werden, das Kartenmaterial von Open Data-Projekten wie OpenStreetMap anzureichern. Diese Daten können wiederum gewinnbringend für die Entwicklung von Navigationssoftware eingesetzt werden, wie es im Projekt CargoRocket erfolgreich aufgezeigt wird“, so Steffen Bengel, Projektkoordinator auf Seiten des IAT.
Lastenradlogistik zur Stärkung nachhaltiger Mobilität
Das im Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 durchgeführte Projekt SmartRadL wurde im Rahmen der Förderrichtlinie mFUND durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert. Neben dem IAT der Universität Stuttgart umfasste das Konsortium den Lastenradlogistiker veloCARRIER GmbH mit Sitz in Tübingen. In den Depots des Unternehmens an den Standorten Berlin, Esslingen, Köln, Osnabrück, Stuttgart und Tübingen fanden die zentralen Erhebungs- und Testaktivitäten statt.
Der Projektpartner und Entwickler für Tourenplanungssoftware FLS GmbH mit Sitz in Heikendorf bei Kiel, war hauptverantwortlich für die Entwicklung der lastenradspezifischen Tourenplanungssoftware. Im Zuge eines veröffentlichten Abschlussberichts können die zentralen Projektaktivitäten und -erkenntnisse eingesehen werden. Die erarbeitete Softwarelösung verbleibt jedoch im Eigentum der FLS GmbH, darunter die Nutzungsrechte angewandter Algorithmen.
In vorderster Linie trägt das Projekt SmartRadL dazu bei, den Wirtschaftsbereich der Lastenradlogistik zu stärken sowie diesen als integralen Bestandteil des Zustellverkehrs auf der „letzten“ bzw. „ersten Meile“ zu begreifen, was sich wiederum positiv auf die Emissionsbelastungen in den Innenstädten auswirkt sowie die Förderung nachhaltiger Mobilität nach sich zieht.