[Fraunhofer IML] – Ladungsträger wie Paletten, Getränkekisten oder Tanks sind unverzichtbar für den Transport von Waren aller Art, stehen selbst aber kaum im Rampenlicht. Fraunhofer-Forschende haben sich nun dem Thema gewidmet und eine Software entwickelt, die den Standort und den Weg der Ladungsträger verfolgt und einsehbar macht. Für die Logistikbranche entstehen dadurch enorme Möglichkeiten, die Effizienz zu verbessern. Mit »Logistikbude« haben die Fraunhofer-Forschenden sogar ein eigenes Spin-off gegründet.
Paletten, Getränkekisten, Behälter, Gestelle und Tanks sind ein unverzichtbarer Teil beim Transport von Waren. 2020 wurden in Deutschland nach Angaben des statistischen Bundesamts rund 101 Millionen Flachpaletten produziert – auch bekannt als „Europaletten“. Die deutsche Logistikbranche setzte insgesamt 280 Milliarden Euro um, wie die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS errechnet hat. Damit gehört die Logistikbranche zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Doch während der Verbleib der Waren genau registriert und verfolgt wird, wird den Ladungsträgern bislang eher weniger Aufmerksamkeit zuteil. Diese bleiben oft tagelang unbeachtet in Lagerhallen liegen. Hier geht Effizienz verloren.
Am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund hat der Forscher und Logistikexperte Dr. Philipp Wrycza mit seinen Mitgründern Patrik Elfert, Jan Möller und Michael Koscharnyj eine passende Softwarelösung entwickelt und gleich ein eigenes Spin-off mit dem ebenso einprägsamen wie treffenden Namen „Logistikbude“ gegründet. Wrycza hatte bereits seine Doktorarbeit zum Thema Europaletten am Fraunhofer IML geschrieben.
Die webbasierte Software generiert zunächst für jeden Ladungsträger ein Label und legt eine digitale Akte an. Parallel dazu werden die Mehrwegladungsträger – Paletten, Tanks, Gestelle, Behälter, Kisten – mit Barcodes oder auch mit aktiven Sensoren versehen. Sowohl vor dem Transport als auch beim Eintreffen der Ware beim Empfänger erfasst eine Smartphone-App für Android oder iOS jeden Ladungsträger über das Label. Hier lassen sich auch weitere Eintragungen über den Status vornehmen. Diese Daten wandern dann sofort in die Software-Plattform. Neben der Nachverfolgung mittels Scan gibt es auch die Möglichkeit Mengen zu verbuchen.
Gemeinsames Tauschkonto für Ladungsträger
Auch der Kunde oder Empfänger der Ware greift auf das Konto zu und vermerkt beispielsweise, wenn die Ware abgeladen ist und die Paletten für die Rücksendung oder den Transport anderer Waren bereit sind. Auf diese Weise entsteht ein gemeinsames Tauschkonto, in dem sich die Geschäftspartner über den aktuellen Status der Ladungsträger auf dem Laufenden halten. Wurden bereits geleerte Ladungsträger nicht rechtzeitig zurückgeschickt, wird automatisch eine Erinnerungsmail ausgelöst.
Seit Januar 2022 ist die Lösung fertig und einsatzbereit. „Viele Unternehmen wissen bisher oft gar nicht, wo beispielsweise ihre eigenen Ladungsträger gerade sind. Nun können sie jederzeit einsehen, wo diese sind, und wann sie diese zurückbekommen. Das erleichtert die Planung. Der beschleunigte Umlauf sorgt schließlich dafür, dass insgesamt weniger Ladungsträger angeschafft werden müssen. Das wiederum ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Branche“, sagt Wrycza, Co-Founder & CEO des Fraunhofer-Spin-offs.
„Wir freuen uns nicht nur, weil Logistikbude an unserem Institut entstanden ist, sondern auch, weil sie ein wertvolles Instrument darstellt, um das Effizienzpotenzial im Bereich Transport und Logistik noch besser auszuschöpfen. Die Fraunhofer-Forschenden stellen damit einmal mehr ihre Fähigkeit unter Beweis, praxisnahe und hilfreiche Lösungen für die Industrie zu entwickeln“, lobt Prof. Michael ten Hompel, Institutsleiter des Fraunhofer IML.
Die Features von Logistikbude
Die Software vermeidet auch regelmäßig auftretende Probleme zwischen Geschäftspartnern. Belädt zum Beispiel ein Glashersteller seine Transportgestelle mit Fenstern und lässt diese vom Spediteur abholen, dann erhält er entweder gleich leere Gestelle zurück oder die Spedition liefert die Ware beim Empfänger ab und bringt dann die Gestelle zurück. Dabei kommt es jedoch immer wieder zu Missverständnissen oder Konflikten, etwa wenn ein Gestell fehlt oder dieses nach Auffassung des Empfängers beschädigt ist. Das gemeinsame Management der Ladungsträger hilft, Irrtümer und Überraschungen von vornherein zu vermeiden. Denn Status und Position jedes Ladungsträgers sind transparent einsehbar. So könnte beispielsweise der Empfänger über die Smartphone-App vermerken, wenn ein Gestell beschädigt angekommen ist. Auch Unternehmen, die bereits über ein eigenes Ladungsträgermanagement verfügen, profitieren von der Lösung. Ein dynamisches Tracking all dieser Packmittel entlang des Transportwegs und der nahtlose Austausch der Daten mit dem Geschäftspartner waren bisher nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich.
Sensoren registrieren Werte wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Ladungsträger mit Sensoren auszustatten. Diese registrieren Werte wie den Standort, die Temperatur oder die Luftfeuchtigkeit und schreiben sie in die digitale Ladungsträgerakte. Damit könnten sie auch über den Zustand von Lebensmitteln Auskunft geben.
Die Fraunhofer-Forschenden haben die Software höchst nutzerfreundlich gestaltet. Es ist nicht notwendig, das System speziell zu konfigurieren oder anzupassen. »Wir haben einen Tag Einarbeitung vorgesehen, dann kann der Kunde sofort loslegen«, verspricht Wrycza.
Dr. Volker Lange, Leiter Verpackungslogistik am Fraunhofer IML, hat die Arbeit des Teams von Anfang an begleitet. „Von der ersten guten Idee bis zu einer marktreifen und sauber funktionierenden Lösung sind unsere Forschenden einen langen Weg gegangen. Das Spin-off hat jetzt beste Voraussetzungen, um die Lösung erfolgreich auf dem Markt zu etablieren.“