Logistik: Projekte

Großprojekt gestartet: Silicon Economy Logistics Ecosystem

Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML

[Fraunhofer IML]Mit dem größten Forschungsprojekt seit zehn Jahren soll das Fraunhofer IML als Gegenentwurf zum Silicon Valley dem Silicon Economy Logistics Ecosystem, einer dezentralen und offenen Plattformökonomie, in Deutschland und Europa zum Druchbruch verhelfen.

Mit der Silicon Economy will das Fraunhofer IML einen Gegenentwurf zu monopolistischen Plattformen wie Amazon, Uber oder Alibaba schaffen. Eine solche Plattformökonomie ist das Wirtschaftskonzept der Zukunft – nur so lassen sich die immer komplexer werdenden Lieferketten beherrschen. Darum werden das Fraunhofer IML und seine Projektpartner alle Ergebnisse des Projekts als Open-Source-Software über eine Entwicklungs- und Betriebsplattform allen Unternehmen zur freien Nutzung zur Verfügung stellen.

„In der Vergangenheit haben wir Maschinen automatisiert, in der Silicon Economy automatisieren wir Prozesse. Die vollständige Digitalisierung von Prozess- und Lieferketten mithilfe von Künstlicher Intelligenz wird in der Logistik ein neues Zeitalter einläuten. Es fühlt sich so an wie vor 30 Jahren, als das Internet selbst entwickelt wurde. Geschäftsmodelle in der Logistik werden sich grundlegend verändern, neue Player und Berufsbilder werden entstehen. Die Erfolgsgeschichte der künftigen Silicon-Economy-Giganten beginnt jetzt. Im Fraunhofer IML und am Standort Dortmund haben wir das Knowhow und die Technologien versammelt, um wesentliche Teile dieser neuen Welt Wirklichkeit werden zu lassen“, betont Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML.

Die Arbeit im Projekt verfolgt zwei parallele Ziele: zum einen die Entwicklung der Silicon-Economy-Infrastruktur und der dafür nötigen Basis-Komponenten, zum anderen den Aufbau einer Plattform inklusive einer Anwender-Community. Konkret entstehen dabei eine Open-Source-Infrastruktur sowie Hard- und Software-Komponenten, die in einer Art digitalen Bibliothek öffentlich verfügbar sein werden. Das soll Unternehmen jeder Größe in die Lage versetzen, sämtliche Geschäftsprozesse entlang einer Lieferkette zu digitalisieren und zu automatisieren.

Dazu arbeiten die beteiligten Wissenschaftler in sogenannten Entwicklungsprojekten an konkreten logistischen Problemlösungen. Unternehmen implementieren ausgewählte technische Komponenten dieser Projekte dann im laufenden Betrieb. So wollen die Forscher bereits in einem frühen Stadium die Anwendbarkeit für Unternehmen sicherstellen. Allgemeingültige Erkenntnisse dieser konkreten Problemlösungen stellen die Projektpartner dann in Form von Hard- und Software-Komponenten in der digitalen Bibliothek zur Verfügung.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren mit insgesamt rund 25 Millionen Euro. Projektpartner sind neben dem Fraunhofer IML auch das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST sowie die Technische Universität Dortmund.

LoadRunner – Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) mit enormer Sortierleistung
Dank hochverteilter Künstlicher Intelligenz und Kommunikation über 5G ist das High-Speed-Fahrzeug LoadRunner ein Meilenstein in der Schwarmrobotik – und prädestinierter Schlüssel für die Transformation der Wirtschaft in eine Silicon Economy.

Die Entwicklung des LoadRunners, der beim Digital-Gipfel 2019 seine Weltpremiere feierte, hatte das Fraunhofer IML bereits im Rahmen eines vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderten Vorprojekts zum dem 15. September 2020 offiziell gestarteten Großprojekts „Silicon Economy Logistics Ecosystem“ realisiert. Seither arbeiten die beteiligten Wissenschaftler an der Weiterentwicklung und unter anderem an der Skalierung des Systems.

Das Fraunhofer IML soll dem Silicon Economy Logistics Ecosystem, einer dezentralen und offenen Plattformökonomie, zum Druchbruch verhelfen.

LoadRunner-Schwarm. ©_Fraunhofer IML

Nun liefert eine durchgeführte Untersuchung zum Einsatz des LoadRunners für die Paketsortierung die ersten vielversprechenden Ergebnisse: Mit etwa 60 Fahrzeugen lassen sich 13.000 Sendungen pro Stunde abarbeiten. Damit erreichen 60 LoadRunner bereits Leistungsbereiche von klassischen Sortiersystemen. Im Gegensatz zu diesen benötigt der LoadRunner jedoch wesentlich weniger fest installierte Infrastruktur und bietet eine deutlich schnellere Inbetriebnahme und höhere Skalierbarkeit. Um die Leistung von 60 LoadRunnern herauszufinden, nutzten die Forscher eine digitale Modellierung auf einer Echtzeit-Entwicklungsplattform für 3D-Simulationen, die eine dynamische Darstellung des Systemverhaltens in Echtzeit ermöglicht.

„Mit dem LoadRunner haben wir einen zentralen Mosaikstein für die Logistik von morgen entwickelt und setzen einen internationalen Benchmark in puncto autonomer Transportsysteme und Künstlicher Intelligenz“, betont Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML. „Die Fahrzeuge verfügen über die Beschleunigung eines Sportwagens und dringen in eine ganz neue Leistungsklasse vor. LoadRunner-Schwärme adressieren Bereiche, die bislang der Hochleistungssortier- und -fördertechnik vorbehalten waren. Die WiFi-6- und 5G-basierte Kommunikation, das selbstständige Verhandeln und Buchen von Aufträgen über die Blockchain und die Künstliche Intelligenz an Bord machen den LoadRunner zum Begründer einer neuen KI-basierten Fahrzeuggeneration und zur Blaupause der Logistikbranche auf dem Weg in eine vertikale und in Echtzeit vernetzte digitale Plattformökonomie.“

Silicon Economy Logistics Ecosystem - LoadRunner

LoadRunner-Kooperation. ©_Fraunhofer IML

Der LoadRunner kann sich hoch dynamisch mit bis zu 10 m/s im Schwarm selbst organisieren und bei Bedarf sogar mehrere Einheiten für Transportaufträge zusammenkoppeln. Dank Künstlicher Intelligenz ist er in der Lage, selbstständig Aufträge anzunehmen und zu verhandeln. Damit ist das Fahrzeug eine Revolution für die Logistik.

Mit seiner Dynamik und seinem omnidirektionalen Fahrwerk ist der LoadRunner perfekt an Sortierprozesse in Paketnetzwerken angepasst. Die Lastabgabe erfolgt ohne zusätzliche Aktorik ausschließlich mittels Trägheit, die beim Abbremsen entsteht. Als einzelnes Fahrzeug kann der LoadRunner Pakete bis zu einer bestimmten Größe und bis zu einem Gewicht von 30 kg allein transportieren und sortieren. Somit lässt er sich z. B. auch für den Transport und die Sortierung von Gepäckstücken an Flughäfen einsetzen. Im Verbund können mehrere Fahrzeuge durch Kopplung auch große und sperrige Teile bewegen. Dabei kann jeder LoadRunner zusätzlich bis zu vier passive Anhänger ankoppeln und transportieren.

Um das Potenzial der LoadRunner-Technologie voll auszuschöpfen, ist eine offene digitale Infrastruktur wie die Silicon Economy nötig, in der die Fahrzeuge über 5G sicher kommunizieren und mittels Blockchain eigenständig Pay-per-use-Verträge abschließen können.