Von Smart Production über Internet der Dinge bis hin zu Robotik: Cyber-physikalische Systeme vereinen Elektronik, Software und Mechanik und sind miteinander vernetzt. Das macht sie hochkomplex und wirft neben vielen Anwendungsmöglichkeiten auch eine Reihe an Fragen auf. Sie sind abhängig von fehlerfreier Software, die Frage der geprüften Qualitätssicherung wird daher immer drängender. Am Beispiel autonomer Fahrzeuge wird ein Team des Instituts für Softwaretechnologie der TU Graz gemeinsam mit der AVL List GmbH Methoden zur Qualitätssicherung solcher Systeme im Rahmen des „Christian Doppler Labor für Methoden zur Qualitätssicherung von autonomen Cyber-Physikalischen Systemen“ entwickeln. Der offizielle Startschuss für das derzeit siebente aktive CD-Labor der TU Graz fiel am 3. April 2018.
Das Christian Doppler Labor ist auf eine Dauer von sieben Jahren ausgelegt, dabei bringen die Christian Doppler Gesellschaft und der Firmenpartner über 2 Millionen Euro ein, die Hälfte davon kommt von der öffentlichen Hand. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, für das CD-Labors zu den wichtigsten Instrumenten an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft zählen.
Wirtschaftsministerium fördert Grundlagenforschung und Innovation
„Ob autonome Fahrzeuge oder Industrie 4.0 – damit Digitalisierung funktioniert müssen ihre Systeme und Anwendungen sicher sein“, betont Margarete Schramböck, österreichische Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. „Dieses CD-Labor leistet einen wichtigen Beitrag dazu und stärkt gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmenspartners. Von neuen Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung profitieren alle Beteiligten und schlussendlich auch unsere gesamte Gesellschaft.“
„Pickerl“ für Software autonomer Systeme
Für autonome Fahrzeuge gibt es noch einige Hürden, von der technischen Machbarkeit über die Rechtsfragen bis hin zur Akzeptanz der Menschen. Aus Sicht der Automobilindustrie ist auch die Frage der Sicherheitsgarantie zentral. Franz Wotawa, Leiter des neuen CD-Labors, erklärt: „Ganz plakativ gesagt: Ein herkömmliches Auto muss regelmäßig zur Überprüfung und bekommt ein Pickerl. In einem autonomen Auto ist die Software selbst ein Bestandteil, der hohe Qualitätskriterien erfüllen und ebenfalls zertifiziert werden muss. Dafür sind standardisierte Prüfverfahren nötig. Methoden und Techniken zu dieser Qualitätssicherung wollen wir nun im CD-Labor erarbeiten, gemeinsam mit der AVL am Anwendungsfall des autonomen Fahrens, gültig aber für cyber-physikalische Systeme im weiteren Sinn.“
Die langjährige Kooperation der AVL mit der Christian Doppler Forschungsgesellschaft hat es dem Unternehmen ermöglicht, viele neue Technologien und Methoden zu vertiefen und damit das Produktportfolio zu erweitern. Mihai Nica, Ansprech- und Forschungspartner seitens AVL, bestätigt: „Um autonome Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, braucht die Industrie neue Verifizierungsansätze aus dem Gebiet der Informatik/Software. Die Herausforderung liegt darin, ein Testprogramm zu definieren, das solche selbstfahrende-softwaregetriebenen Systeme gegen alle kritische Verkehrssituationen absichern könnte.“ In diesem Sinn komplementiert das CD-Labor weitere Forschungsaktivitäten von AVL im Bereich Qualitätssicherungsmaßnahmen für autonome Fahrzeuge.
Standardisierte Testmethoden entwickeln
Um ein autonomes Auto überhaupt testen zu können, müsste man es rund 200 Millionen Kilometer fahren lassen. Zum Vergleich: Bei herkömmlichen Autos sind es 10.000 oder 20.000 Kilometer. Vor virtuellen Tests, die eine machbare Alternative sind, stehen im Fall autonomer Autos oder selbstlernender und adaptiver Systeme im Allgemeinen die großen Fragen: Welche Szenarien werden überhaupt abgespielt? Wie werden sie miteinander kombiniert? Und vor allem: Wann weiß man, dass ein System, das laufend dazulernt und sich selbstständig anpasst, ausreichend getestet wurde und kann eine Garantie abgeben?
Im Rahmen des CD-Labors widmen sich die Forschenden auch der Frage, wie das System eigenständig aus ungünstigen Szenarien herausfindet. Dazu Wotawa: „Wir müssen wissen, in welchem Rahmen ein autonomes cyber-physikalisches System funktioniert, was also keinesfalls passieren darf. Und wenn das doch passiert muss sichergestellt sein, dass das System Maßnahmen setzen kann, um aus dieser Verletzung der Bedingungen möglichst schnell wieder herauszukommen.“ Eine solche Verletzung wäre im Fall des autonomen Autos zum Beispiel, wenn das Auto bremsen oder beschleunigen will, die Sensoren aber melden, dass bei den Reifen nichts davon ankommt. „Das System muss nicht nur sofort erkennen, dass etwas passiert ist; die dringende Frage ist dann, wie es darauf reagiert.“
Doch auch abseits der Automobilindustrie sind Qualitätssicherungsmaßnahmen für Software von interagierenden elektronischen Systemen – ob für Kommunikation, Datentransfer oder Überwachung – schon jetzt gefragt. Franz Wotawa betont: „Das Beispiel autonomes Fahren ist für uns ein Anwendungsfall, an dem wir unsere sehr theoretische Arbeit im Rahmen des CD-Labors illustrieren können. Es gibt noch viele andere Anwendungen cyber-physikalischer Systeme, die nichts mit autonomen Fahren zu tun haben, etwa Smart Production, das Internet der Dinge (IoT) mit seinen digitalen Geschäftsmodellen oder Robotik.“
Kooperationsform Christian Doppler-Labor
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel. Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW).
Mehr zur Christian Doppler Gesellschaft: www.cdg.ac.at.
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