Mobilität: Wissenschaft

Schiffe – schnell wie Delfine

Delfine
Foto: pixabay.de

Für eine elegante und ökonomische Fortbewegung im Wasser geben Delfine den Wissenschaftlern ein exzellentes Vorbild. Die flinken Säuger erzielen erstaunliche Schwimmleistungen, deren Ursachen einerseits in der Körperform und andererseits in den elastischen Eigenschaften ihrer Haut zu finden sind. Letzteres Phänomen ist bereits seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt, konnte aber bislang nicht erfolgreich auf technische Anwendungen übertragen werden. Experten des Fraunhofer IFAM und der HSVA GmbH haben nun gemeinsam mit zwei weiteren Forschungspartnern eine Oberflächenbeschichtung entwickelt, die ähnlich wie die Delfinhaut den Strömungswiderstand im Wasser messbar verringert.

Delfine haben eine glatte Haut mit einer darunter liegenden dicken, nachgiebigen Speckschicht. Diese speziellen Hauteigenschaften führen zu einer signifikanten Widerstandsminderung durch Erhaltung einer laminaren Strömung entlang der Oberfläche. Die Wirkung beruht darauf, dass die weiche Oberfläche unvermeidliche wellenartige Schwankungen in der Strömung – sogenannte Tollmien-Schlichting-Wellen, Vorboten der Turbulenz – abschwächt und damit den Umschlag von laminarer zu turbulenter Strömung hinauszögert. Eine solche Verzögerung ist wünschenswert, da der Reibungswiderstand laminarer Strömung erheblich geringer ist als der des turbulenten Zustands.

Für die Schifffahrt sind widerstandsvermindernde Rumpfbeschichtungen interessant, da eine Reduzierung des Schiffswiderstands den Brennstoffverbrauch deutlich senkt. Vor diesem Hintergrund haben es sich die Wissenschaftler in dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt »FLIPPER – Flow improvement through compliant hull coating for better ship performance« zur Aufgabe gemacht, mithilfe von Simulationen eine „künstliche Delfinhaut“ für Schiffe zu entwickeln, welche die Strömung positiv beeinflusst, sich unkompliziert verarbeiten lässt und langzeitstabil ist.

Stabile Grenzschicht durch eine nachgiebige polymere Beschichtung

Zur Entwicklung eines geeigneten Materials haben Wissenschaftler der HSVA Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt GmbH Strömungsberechnungen für ein knapp sechs Meter langes Schiffsmodell durchgeführt. Diese wurden durch zusätzliche Berechnungen an der Technischen Universität Hamburg unterstützt.

Nachgiebige Beschichtung am Bug eines Schiffsmodells. Skizze: HSVA GmbH

Ziel dieser Berechnungen war die Ermittlung geeigneter viskoelastischer Parameter und Schichtdicken für „künstliche Delfinhäute“. In der HSVA kam dafür ein mechanisches Ersatzmodell zum Einsatz, das die flexible Fettschicht und die steife Epidermis des Delfins durch Federn, Dämpfer und eine dünne Membran nachbildet. Dieses Modell wurde an ein Prognoseverfahren für das Auftreten von Tollmien-Schlichting-Wellen gekoppelt. Die viskoelastischen Modellparameter wurden nun so lange variiert, bis eine deutliche Abschwächung der Tollmien-Schlichting-Wellen festgestellt werden konnte.

Nach diesen Vorgaben wurde am Fraunhofer IFAM ein gelartiges elastisches Polymer entwickelt, welches in Schichtdicken von einigen Millimetern im Bugbereich des Schiffsmodells aufgetragen wurde. Eine dünne, mechanisch stabile Folie bildete zum Abschluss die feste „Epidermis“.

Erfolgreiche Demonstration im Wasserkanal

Nach dem theoretischen Funktionsnachweis sollte nun das praktische Potenzial künstlicher Delfinhäute im HYKAT der HSVA demonstriert werden, einem der weltweit größten Wasserkanäle. Zu diesem Zweck wurde der Unterwasserrumpf des FLIPPER-Schiffsmodells mit auswechselbarem Bugsegment aus Holz gefertigt. Die Beschichtung der portablen Segmente erfolgte am Fraunhofer IFAM.

Die Versuche zeigten eine Widerstandsminderung dank der Beschichtung von bis zu sechs Prozent gegenüber einem lackierten Referenzbug auf. Dabei wurde die theoretische Vorhersage bestätigt, dass sich mit zunehmender Schichtdicke die Reibung entlang der künstlichen Delfinhaut verringerte; weiterhin zeigte sich eine Vergrößerung des positiven Effekts mit wachsender Geschwindigkeit, d. h. mit zunehmend turbulenter Strömung. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass die Wirkungsweise der nachgiebigen Beschichtung tatsächlich auf einer Verzögerung des Strömungsumschlags zur Turbulenz beruht.

Vielversprechender Ausblick – auch in Kombination mit Ribletstrukturen

Das nächste Ziel ist nun, diese Technologie für die industrielle Anwendung nutzbar zu machen. Hier sind noch einige Hürden zu überwinden, die u. a. die Übertragbarkeit auf verschiedene Schiffstypen, die Auftragstechnik im Werftbetrieb und die Vereinbarkeit mit herkömmlichen Anti-Fouling-Lösungen betreffen. Das Einsparpotenzial kann durch eine Kombination der hier vorgestellten Technologie mit einer gerillten Beschichtung (Haifischhaut/Riblets) im hinteren Bereich des Schiffs maximiert werden.

In einer derartigen Kombi-Beschichtung würde die künstliche Delfinhaut zur laminaren Strömungskontrolle im Bugbereich des Schiffes in eine künstliche Haifischhaut zur turbulenten Strömungsbeeinflussung im Mittel- und Hinterschiff übergehen. Der Reiz solcher funktionalen Beschichtungen besteht darin, dass sie ihre Wirkung ohne zusätzliche Aufwendung von Energie entfalten und somit potenziell kostengünstiger sind als aktive Systeme zur Strömungskontrolle.


Projektpartner:

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM
HSVA Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt GmbH
Technische Universität Hamburg
Arkema (assoziiert)

Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.