Mobilität: Projekte

HEAT: Autonom fahrende E-Busse bald auch in Hamburg

So wird der autonome Kleinbus des Projekts HEAT aussehen.
So wird der autonome Kleinbus des Projekts HEAT aussehen. © IAV GmbH

Integration in den regulären Verkehr der Hamburger HafenCity mit bis zu 50 km/h als Ziel

Sechs Partner gehen ein einzigartiges Projekt an: Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojektes HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation) soll die Integration autonom fahrender Kleinbusse in den realen Stadtverkehr untersucht, entwickelt, getestet und umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge mit bis zu 50 km/h unterwegs sein werden. Ein solches Vorhaben wird weltweit Maßstäbe setzen.

Neben dem eigens für dieses Projekt entwickelten Fahrzeug stehen vor allem Fragen nach der verkehrs- und informationstechnischen Infrastruktur, der digitalen Leittechnik und den technischen Schnittstellen im Fokus des Vorhabens. Wichtigstes Projektziel ist der Nachweis, dass die autonom fahrenden Kleinbusse im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden können. Die Erprobungsstrecke für die emissionsfreien Elektrobusse liegt in Hamburgs HafenCity in unmittelbarer Nähe zur Elbphilharmonie.

Verkehrssenator Frank Horch: „2021 wird Hamburg Gastgeberstadt für den Weltkongress für intelligente Verkehrssysteme (ITS) sein. Bis dahin soll die Verknüpfung von Digitalisierung und Mobilität Schritt für Schritt im Hamburger Stadtbild sichtbar und erlebbar sein. Vor diesem Hintergrund stellen wir jetzt die Weichen für künftige Technologien wie autonomes und vernetztes Fahren. Die Treiber dieser Entwicklung sollen die öffentlichen Verkehrsbetriebe sein. Denn natürlich bleibt der öffentliche Personennahverkehr das Rückgrat der Mobilität in unserer Stadt. Angebote wie HEAT setzen auf einen verbesserten Verkehrsfluss durch weniger, aber – im Gegensatz zum Privatwagen – besser ausgelastete Fahrzeuge. Zugleich sind sie lokal emissionsfrei unterwegs, was uns hilft, für eine bessere Luft und weniger Lärm zu sorgen.“

Private PKW-Nutzung soll in den Innenstädten komplett überflüssig werden

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der HOCHBAHN: „Autonom fahrende Fahrzeuge werden die Mobilität von morgen prägen. Die HOCHBAHN will die Chancen dieser Technologie gezielt nutzen, um attraktive Angebote zu entwickeln, die die private PKW-Nutzung zumindest in den Innenstädten komplett überflüssig machen. Gemeinsam mit unseren Partnern stoßen wir hier eine Tür zu innovativen Lösungen auf.“ Die HOCHBAHN übernimmt bei diesem Vorhaben die Projektleitung, die betriebliche Umsetzung und die Einbindung über die HOCHBAHN-Leitstelle.

Wesentliches Kennzeichen des HEAT-Projektes ist ein stufenweises Vorgehen. In der ersten Phase ab Frühjahr 2019 wird es auf einer festgelegten Strecke einen Testbetrieb ohne Fahrgäste und mit einem professionellen Fahrzeugbegleiter geben, der bei Bedarf unmittelbar eingreifen kann. In der nächsten Phase sollen dann auch erstmals Fahrgäste mitgenommen werden. Weiterhin wird ein Fahrzeugbegleiter an Bord sein. Bis zum ITS-Weltkongress im Jahr 2021 soll dann ein komplett autonomer Betrieb (ohne Fahrzeugbegleiter, Level 5) erfolgen.

Udo Wehner, Bereichsleiter Vehicle Integrated Function bei IAV: „Seit mehr als 15 Jahren treibt IAV die technische Entwicklung autonomer Fahrzeuge voran und hat schon mehrfach seine führende Rolle auf diesem Gebiet demonstriert. Unsere Erfahrungen bringen wir nun gemeinsam mit unseren Partnern im Rahmen des HEAT-Projektes auf die Hamburger Straßen. Hierbei wird ein neu entwickeltes, automatisiertes Shuttle mit Elektroantrieb zum Einsatz kommen, mit dem wir eine Antwort auf die Frage nach Fahrzeugkonzepten für umweltschonende und nachhaltige Mobilität geben.“

Der HEAT-Kleinbus soll 16 Fahrgästen Platz bieten
Der autonome Kleinbus des Projekts HEAT

Der autonome Kleinbus des Projekts HEAT ist etwa 5 m lang, 2 m breit, 2,6 m hoch und wiegt rund 4 t. Im Fahrzeug finden 16 Fahrgäste Platz. © IAV GmbH

Der von IAV entwickelte Kleinbus ist etwa 5 m lang, 2 m breit, 2,6 m hoch und wiegt rund 4 t. Im Fahrzeug finden maximal 16 Fahrgäste Platz. Zehn Sitzplätze (zwei Sitzbänke mit je vier Plätzen und eine klappbare Sitzbank mit zwei Plätzen) wird es geben. Der Kleinbus ist zudem mit einer Rampe ausgerüstet, sodass ein Rollstuhl im Bedarfsfall mitgenommen werden kann. Das erste Fahrzeug soll voraussichtlich noch in diesem Jahr nach Hamburg kommen. Insgesamt sind für das Forschungs- und Entwicklungsprojekt drei Fahrzeuge geplant. Die Aufladung der Batterien für den Elektroantrieb soll bei Vattenfall in der HafenCity erfolgen.

Für die Integration in den realen Straßenverkehr und die dafür notwendige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist neben der Ausstattung des Fahrzeugs mit Kameras, Radar und Lidar auch eine Ausrüstung der Strecke mit zusätzlicher Infrastruktur (aktive und passive Sensorik) notwendig. Hierzu wird die Strecke mit Sensorikelementen und digitalen Kommunikationssystemen ausgestattet.

Zusätzlich erfolgt eine Überwachung des Betriebes über die Leitstelle der HOCHBAHN, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation dem Fahrzeug entsprechende Fahrbefehle geben kann. Fahrzeug, Infrastruktur und Leitstelle bilden das Gesamtsystem ab, das für hohe Sicherheit und Verfügbarkeit des autonomen Betriebs sorgen soll.

Manfred Fuhg, Leiter Mobility Division Siemens Deutschland: „Gemeinsam mit den Partnern konzipieren wir den öffentlichen Nahverkehr von morgen. Autonom fahrende Elektrofahrzeuge spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie werden die Mobilität revolutionieren. Siemens übernimmt im Rahmen des HEAT-Projekts die straßenseitige Infrastruktur, Softwarelösungen und die Integration von autonomen Fahrzeugen. Der Verkehr wird soweit optimiert, dass aus öffentlichem Nahverkehr individueller öffentlicher Nahverkehr wird.“

Teststrecke verläuft durch die Hamburger HafenCity
Streckenführung beim Projekt HEAT

Streckenführung beim Projekt HEAT. Quelle: HOCHBAHN

Die Teststrecke in der Hamburger HafenCity wird insgesamt 3,6 km lang sein und neun Haltestellen umfassen. Sechs bestehende und drei neu eingerichtete Haltestellen werden angefahren. Der Testbetrieb ist bewusst stufenweise angelegt, um auf den einzelnen Stufen Erfahrungen zu sammeln und darauf aufbauend sukzessive die Strecke zu verlängern, den Automatisierungsgrad zu erhöhen und die Geschwindigkeit zu steigern.

In der Startphase wird der Elektrobus über die Straßen Am Sandtorkai, Am Sandtorpark, Am Dalmannkai und Großer Grasbrook fahren. Bis 2021 soll die Teststrecke dann über die Straßen Am Sandtorkai, Brooktorkai, Shanghaiallee, Überseeallee, Am Sandtorpark, Hübenerstraße, Großer Grasbrook und Am Kaiserkai führen.

In der Endausbaustufe führt die Strecke über zwölf Lichtsignalanlagen und das Fahrzeug muss acht Richtungswechsel vollziehen. Der Umfang und die stufenweise Entwicklung des Testbetriebs werden dabei so ausgerichtet, dass stets eine höchstmögliche Sicherheit gewährleistet ist, wie sie der Zulassungsprozess vorschreiben wird.

Autonomes Fahren auf Level 5 wird vom Rechtsrahmen noch nicht erfasst

Die rechtliche Begleitung des HEAT-Projektes übernimmt das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM). Hier geht es in erster Linie darum, im Rahmen des Projektes die jeweils erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen sowie die daraus abgeleiteten Anforderungen an das Fahrzeug, die Infrastruktur und den regelmäßigen Betrieb mit Fahrgästen zu erreichen. Auch hier wird das HEAT-Projekt Pionierarbeit leisten, denn das autonome Fahren auf Level 5 (ohne Fahrer) wird vom geltenden Rechtsrahmen derzeit noch nicht erfasst. Die Besonderheit beim autonomen Fahren liegt darin, dass die Technik alle Aufgaben des Fahrzeugführers in Bezug auf die Einhaltung der Verkehrsregeln übernehmen muss. Ziel von HEAT ist deshalb auch, zu zeigen, wie ein autonomes Fahrzeug ordnungsgemäß und sicher zugelassen werden kann.

Matthias Hartwig, Bereichsleiter Mobilität am IKEM: „Der Verkehr auf unseren Straßen ist so komplex, dass es auch in 50 Jahren keine unbegrenzte Zulassung für fahrerlose Fahrzeuge geben wird. Eine eingeschränkte Zulassung für spezifische geprüfte Anwendungsfälle sollte aber schon in wenigen Jahren Routine werden. Deshalb erproben wir das autonome Fahren im HEAT-Projekt in einem klar definierten Einsatzgebiet. Darauf aufbauend müssen Technik und Rechtsrahmen gemeinsam weiterentwickelt werden, um schrittweise neue Anwendungen und Verkehrsräume zu erschließen.“

Die Menschen stehen bei HEAT im Fokus

Selbstverständlich erhalten die Menschen, für die das neue Verkehrsangebot eines autonom fahrenden Busses gestaltet wird, eine besondere Aufmerksamkeit im Projekt. Die Nutzung des Busses soll einfach, angenehm und mit einem hohen Sicherheitsgefühl verbunden sein. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) führt als Projektpartner die Begleitforschung durch, ermittelt die Nutzeranforderungen, leitet Hinweise für die Gestaltung der Fahrzeuge und des Verkehrsservices ab. Hinzu kommen die Evaluation der Akzeptanz bei den Fahrgästen und die Untersuchung des Zusammenwirkens weiterer Verkehrsteilnehmer mit dem System im Erprobungsgebiet der HafenCity Hamburg.

Dr. Annika Dreßler, DLR-Projektleiterin Nutzerzentrierte Begleitforschung HEAT: „Die Entwicklung des Betriebs autonom fahrender Elektrobusse ist ein Schritt in die Zukunft des öffentlichen Verkehrs. Automatisierung und Vernetzung eröffnen neue Möglichkeiten, den öffentlichen Personennahverkehr effizient und bedarfsgerecht zu gestalten und damit eine attraktive und umweltverträgliche Alternative zum Individualverkehr anzubieten. Damit das Angebot angenommen wird, muss der Mensch bei der Gestaltung im Mittelpunkt stehen.“

Erste Probefahrten ab 2019

In den kommenden Monaten sollen die ersten Vorbereitungen für den Ausbau der Infrastruktur starten. Zu Beginn des kommenden Jahres sollen dann die ersten Probefahrten starten. Die ersten Fahrgäste werden das Angebot, das keine regulären Buslinien ersetzt, sondern einen zusätzlichen Service bietet, ab dem Frühjahr 2019 nutzen können. In der Startphase ist vorgesehen, allen Fahrgästen eine Kurzeinweisung zu geben. Die Fahrt mit dem Shuttle wird kostenfrei sein.

Die Investitionen auf Hamburger Seite betragen insgesamt 5,2 Mio. EUR. Davon entfallen auf die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und Hamburg Verkehrsanlagen (HHVA) 2,7 Mio. EUR, die vom Bundesumweltministerium voll gefördert werden. Weitere Fördermittel in Höhe von 1 Mio. EUR erhält die HOCHBAHN als Projektleitung. Weitere 1,5 Mio. EUR trägt das städtische Unternehmen aus eigenen Budgetmitteln.


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Animation des Fahrzeugs (Quelle: IAV GmbH)


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