Infrastruktur Technologie: Wissenschaft

Brücken unter Druck gesetzt: 50 t-Prüfstand an der TU München

Mehr als 2000 Brücken in Deutschland müssen in den nächsten Jahren saniert oder durch Neubauten ersetzt werden.
Mehr als 2000 Brücken in Deutschland müssen in den nächsten Jahren saniert oder durch Neubauten ersetzt werden. ©_pixabay

Der Bau stählerner Brücken ist teuer. Rund 85 Mio. EUR soll die neue Autobahnbrücke bei Oberthulba zwischen Würzburg und Fulda kosten. Da lohnt es sich, Material zu sparen und die Bauteile so filigran wie möglich und so stabil wie nötig zu dimensionieren. Die Daten für diese Berechnung haben Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) im Auftrag der Autobahndirektion Nordbayern mit Hilfe eines neuen Prüfstands ermittelt.

Mehr als 2000 Brücken in Deutschland müssen in den nächsten Jahren saniert oder durch Neubauten ersetzt werden. Die Kosten dafür gehen in die Milliarden.

Viele der Neubauten werden Stahlbrücken sein, die oft langlebiger, leichter zu inspizieren und in Stand zu setzen sind als Bauten aus Stahlbeton. „Bei den enormen Baukosten der Stahlbrücken lohnt es sich, Einsparpotenziale auszuschöpfen, beispielsweise indem man den Materialeinsatz optimiert“, sagt Prof. Martin Mensinger, Inhaber des Lehrstuhls für Metallbau an der TUM.

Um die Brücken so leicht wie möglich und so stabil wie nötig so zu gestalten, muss man allerdings sehr genau wissen, welchen Kräften die Bauteile standhalten. „Die Belastungsgrenzen im Labor zu ermitteln, ist jedoch ziemlich schwierig: Die Bauteile einer Stahlbrücke sind mehrere Meter lang und tonnenschwer, da stößt man schnell an technische Grenzen“, erklärt Mensinger.

Brücken aus Stahl unter Druck

Im Auftrag der Autobahndirektion Nordbayern hat er mit seinem Team den ersten Prüfstand entwickelt, mit dem sich verstärkte Brückenbauteile mit realen Dimensionen in zwei Richtungen gleichzeitig belasten lassen. Dabei wirken dieselben Kräfte, die während des Baus einer Stahlbrücke auftreten.

Auf der Baustelle werden die Brückenbauteile, jedes Segment ist mehrere Meter lang, verschweißt und kontinuierlich nach vorn geschoben – in den freien Raum hinaus. Bis das Konstrukt den nächsten Brückenpfeiler erreicht, liegt die gesamte Last auf dem Segment, das sich über dem letzten Pfeiler befindet. Die Belastung ist in diesem Moment maximal. Nach Fertigstellung der Brücke, wirken nur noch sehr viel geringere Kräfte auf die Bauteile ein.

Die Belastungsgrenze überschreiten

Mit dem neuen Prüfstand – einem Koloss, der 50 t wiegt und einen ganzen Laborraum füllt – lassen sich diese während des Baus auftretenden maximalen Kräfte simulieren. Physikalisch betrachtet, wirken hier zwei Kräfte gleichzeitig: Die Bauteile werden in Längsrichtung gestaucht und senkrecht dazu zusammengedrückt. Die Ingenieure sprechen von bi-axialer Druckbelastung. Die zu prüfenden 12 m² großen Brückenteile werden mit Hilfe von Hydraulikpressen so lange gedrückt, bis der Stahl nachgibt und – begleitet von einem deutlich hörbaren Knacken – Beulen bekommt.

Beulen im Dienst der Wissenschaft

Sechs verschieden dimensionierte Seitenbauteile für die geplante Brücke bei Oberthulba „verbeulte“ Mensingers Team im Dienst der Wissenschaft. „Mit Hilfe der Ergebnisse können die Statiker jetzt genauer planen und die Bauteile so dimensionieren, dass sie den extremen Bedingungen während der Bauphase standhalten“, erklärt Nadine Maier. Die Bauingenieurin ist verantwortlich für die Planung und Durchführung der Versuche.

Bisher ist die Grundlage der statischen Berechnung die Norm Eurocode 3 (DIN EN 1993-1-5). Die dort enthaltenen Regelungen für die komplexen Belastungen werden seit Jahren kontrovers diskutiert. Um die Norm weiterzuentwickeln, ist eine wissenschaftliche Absicherung notwendig „Man ist aktuell gezwungen, mit einem Verfahren zu rechnen, welches nur für nichtverstärkte Bauteile entwickelt wurde“, sagt Maier. „Diese Ungenauigkeiten führen in der Praxis dazu, dass Brückenbauteile häufig überdimensioniert werden. Dank der Untersuchungen auf dem Prüfstand lässt sich bei der Planung der Talbrücke Thulba jetzt erstmals der Materialeinsatz optimieren.“


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